Du meinst es gut, und keiner versteht dich? (Wild)Pflanzen kommunizieren mit Terpenen, Menschen mit Worten. Dabei kann einiges Schiefgehen. Warum???!!!??? Über deine Frage hab ich lang nachgedacht – denn sie hat’s in sich. Nimm dir 3 Minuten Zeit für Leben und Erkenntnis … hier die Frage: „Ich habe dieses Jahr eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin gemacht und bin im Buchhandel beim Stöbern für Fachliteratur auf dein Buch „Wilde Grüne Smoothies“ gestossen
und es hat mich sofort begeistert. Schnell war für mich klar, das wird mein Thema für die mündliche Prüfung “ Smoothies mit Wildkräutern“.
Nach einigen Tests habe ich mich für den „Iron Maiden“ entschieden. Habe aber, weil als Grundzutaten heimische Produkte verwendet werden sollten, die Melone gegen getr. Aprikosen ausgetauscht. Ich hatte auch Apfel und Birne ausprobiert. mit den Aprikosen hat es mir persönlich aber am besten geschmeckt. Mein Zutaten waren dann:
- Eingeweiche Aprikosen mit Einweichwasser
- 1 Handvoll Mangold (junge Blätter aus dem eigenen Hochbeet)
- 1 Handvoll Franzosenkraut
- ein paar Blätter vom Gundermann und Schafgarbe
- als Gewürze deinen empfohlenen Zimt sowie Bertram und Galgant.
- Im Glas habe ich noch ein paar Brennesselsamen drauf gestreut.
Vom Mixen bis zum Trinken sind max. 2-3 Minuten vergangen. Er hat bis auf die beiden Prüferinnen allen geschmeckt. Lange Rede kurzer Sinn: Meine mündliche Prüfung wurde nicht bewertet, weil mein Smoothie oxidiert sei. Während des Gespräches habe ich immer gedacht mein Fehler wären die getr. Aprikosen gewesen aber je länger ich darüber nachdenke, kann es das nicht gewesen sein. Zudem wurde mir das Gefühl vermittelt mein Smoothie wäre gesundheitsschädlich gewesen.
Darum meine Frage an Dich (du hast ja das größere Fachwissen) und damit ich für mich damit abschliessen kann: Was habe ich denn so falsch gemacht, dass er nicht gewertet werden konnte?
———
ANTWORT: Liebe K. – es freut mich, dass du immer noch zu der Idee stehst.
Die von dir geschilderte Situation beschreibt ein klassisches Dilemma. Es spreizt sich über mehrere Ebenen:
- Praxis
- Wahrnehmung
- Kommunikation
- Wissen.
1. PRAXIS – Konsistenz und Oxidation:
Die Melone puffert die Oxalsäure sehr gut ab und gibt vor allem eine seidig-milde Konsistenz. Diese Bindung erreicht man mit eingeweichtem Trockenobst nicht.
Birne – oder ein mehliger Apfel – wäre eine Möglichkeit, aber das müssen dann absolut reife Birnen/Äpfel sein und man muss etwas Zitrone dazugeben, dass sie nicht sofort braun oxidieren. Dazu kommt: Die mehligen Äpfel – das sind vor allem die Klaräpfelchen im August und ganz späte Sorten Ende Oktober, die extrem schnell braun werden. Also – mehr Zitrone – und zu viel Zitronensäure schaukelt sich in der Wirkung dann mit der Oxalsäure unangenehm auf.
Das Problem hat man mit der Melone einfach nicht. Darum wählte ich für das Rezept „Iron Maiden“ (in: Wilde Grüne Smoothies, Seite 44) die Melone. Ich esse sie eigentlich auch nur von Juni bis August – und so hab ich mein Regionalverständnis einfach etwas mit Kindheitserinnerungen an Urlaube am Gardasee erweitert 🙂
2. WAHRNEHMUNG – oder: Über das Geschmacksempfinden
Ich persönlich finde den „Iron Maiden“-Smoothie sehr lecker –
allerdings bringt die Kombination aus Franzosenkraut und Mangold eine überraschende Herzhaftigkeit ins Geschmacksgeschehen, die nicht jeder erwartet.
Unser Geschmacksempfinden ist mehrdimensional.
Einerseits ist Geschmack kulturell geprägt: d.h. wenn ich seit meiner Kindheit Herzhaftes nur als Suppe esse und dann kommt statt einem Teller „heiße Suppe“ der Mangoldgeschmack kalt im Glas, ist der ungeübte Mensch in seinem „Voraus-Urteil“ (so nennt man es in der Soziologie) düpiert. Das lehnt er intuitiv ab, weil es all seinen Erfahrungen widerspricht. Unser Hirn (Abteilung „schnelles Denken“) kann gar nicht anders (siehe unten).
Davon abgesehen ist der Geschmack der Türsteher unseres Stoffwechsels. Menschen mit empfindlicher Leber oder nervösem Darm reagieren meiner Erfahrung nach gerade auf Bitterstoffe oder auch Säure deutlich sensibler als jene mit einem „robusten Verdauungsapparat“.
3. KOMMUNIKATION – Über Intuition, Macht & Faulheit
… Schmeckt!
Ich gehe also davon aus, dass deine Kolleginnen sich auf den Smoothie gefreut haben, mit dem Gedanken spielen, das Thema ins Programm oder ihr Leben zu nehmen – und so fanden sie es interessant. Sie werden das eine oder andere an ihren Geschmack anpassen – und haben sich über deine Anregung gefreut. Eine Inspiration. Ein Geschenk. Positives Urteil.
… „Schmeckt nicht!“
Anders deine Prüferinnen. Sie nehmen Prüfungen ab. Und das nicht nur zum ersten Mal. Sie erwarten keine Inspiration für ihr Leben, sondern, dass die Prüfungen zügig und ohne Komplikationen abgewickelt wird. Die Idee passte nicht in ihr Raster. Störte sie also. In der Prüfung ist der Prüfer der Chef und gibt vor – der Prüfling hat diese Erwartung zu erfüllen. Erfüllt er sie zu 100%, erhält er 100 Punkte. Erfüllt er sie nicht, hat er die Prüfung nicht bestanden. Innovationen sind neu, können daher die Erwartung des Prüfers nicht erfüllen. Genauso wie ein Qualitätssiegel bestätigt, dass alle Kriterien erfüllt sind. Nicht mehr – nicht weniger. Die Prüfer beurteilen einen vom Unterrichtsstoff abweichenden Beitrag aus ihrer Perspektive nicht als Inspiration, sondern als „Nichterfüllung“.
Könnte es sein, dass es das war, was „falsch“ gelaufen ist? Wenn man das überhaupt so sagen kann. Interessant dazu das Buch | ACHTUNG – WERBUNG | „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahnemann Spiegel-Bestseller, kostet nur 12,- Euro). Es hat mir die Augen geöffnet. Warum reagieren Menschen manchmal so ganz anders, als wir denken? Sie können nicht anders. Für mich war diese Erkenntnis
ein Wendepunkt in meinem Leben … Man muss lernen, die Situation anders aufzustellen …. 🙂 Heute frage ich mich, wenn ich etwas FÜR andere Menschen plane, immer zuerst:
- Was erwarten sie?
- Können sie meine Idee aus ihrer Perspektive überhaupt begreifen und „wahr“nehmen?
- Können Sie mein (ungewöhnliches Angebot) anders verpackt vielleicht eher „wahr“nehmen?
- Was will ich von der Situation?
Wenn du dir diese Fragen mit rückhaltloser Ehrlichkeit stellst, wirst du staunen.
Gemeinhin geht man als gradlinig denkender „guter Mensch“ davon aus, dass – wenn man anderen in guter Absicht etwas nahebringt, wovon man ehrlich überzeugt ist – dem anderen etwas Gutes tut.
Und denkt, man „verbiegt sich“, wenn man das, was man Kraft seines Geistes und seiner Erfahrung als gut befunden hat, abschwächt oder modifiziert, oder überhaupt in eine ganz andere Geschichte verpackt.
Von diesem Gedanken kann man sich – wenn man über die Gesetzmäßigkeiten des intuitiven Handelns (=schnelles Denken) informiert ist – entspannt lösen. Der andere muss deine Botschaft „wahr“nehmen können, damit ihr eine gemeinsame kommunikative Basis erreicht.
Wenn du eine Idee vermitteln willst, solltest du dein Projekt im Kern sauber zu strukturieren, und im „Feintuning“ einen „Empfängergerechten Eingang“ bauen. Eine Frage der Höflichkeit. So etwas wie das passende Kleid zum schönen Anlass 🙂
4. WISSEN & WAHRNEHMUNG – wahr oder falsch?
Der „Gesundheitsaspekt“ ist m.E. nur nachgeschoben, um das intuitive Urteil deiner Prüferinnen fachgerecht zu ummänteln. Natürlich solltest du nicht ständig Smoothies aus Spinat, Mangold oder Sauerampfer trinken – wegen des hohen Gehalts an Oxalsäure, die sich im „komfortgewohnten Stoffwechsel“ der Ü40 gern zu Nierensteinen vereint 🙂
Aber das weisst du sicher, sonst wärst du ob der Situation nicht so verwirrt.
Aber vielleicht konnten es sich deine Prüfer in ihrer intuitiven „schnellen“ Wahrnehmung der Situation das einfach nicht vorstellen.
Diese Form des Mismatch funktioniert leider auch anders herum:
Das bewußte Ausnutzen des „Blinden Flecks“ im „Schnellen Denkens“ des Gegenübers ist ein beliebter rhetorischer Trick, den nahezu alle charismatischen Persönlichkeiten (Gurus, Bankberater, Verkäufer, Rechtsanwälte, Influencer) intuitiv oder bewußt und professionell manipulativ einsetzen:
DAS DILEMMA:
Wahre Aussagen werden ohne Bezugsrahmen zur Täuschung!
Denn sobald du (im schnellen, intuitiven Alltags-Denkmodus) registrierst „Ja, stimmt!“ wirst du dich extrem schwer tun, die gesamte Aussage in Zweifel zu ziehen. Andere auch … im Guten wie im Bösen.
FAZIT: Intuitives, schnelles Denken bringt im Alltag viele Vorteile. Man sollte sich aber der Tatsache Bewußt sein, dass es sich um Abkürzer handelt. Und da der Mensch lebenstechnisch gern seine Energie spart (man könnte auch sagen, einen lebensverlängernden Hang zur Faulheit hat) sollte man davon ausgehen, dass er die unter 1 und 4 aufgeführten Strategien häufig nutzt. Dessen sollte man sich bewusst werden. Zur Selbstverteidigung gegen die Vorteilsnehmer und Vermeiderkönige dieser Welt und um als Referent besser verstanden zu werden.
Herzlich
Deine Herbalista®
Gabriele Leonie Bräutigam
Links: | ACHTUNG – WERBUNG |
> Buch-Tipp 1: „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahnemann, Spiegel-Bestseller, kostet nur 14,- Euro: https://www.buch7.de/produkt/schnelles-denken-langsames-denken-daniel-kahneman/1018848151?ean=9783886808861&partner=herbalista-empfiehlt-denken-ist-wie-googlen-nur-krasser
> Buch-Tipp 2: „Wilde Grüne Smoothies“ von Gabriele Leonie Bräutigam: https://www.buch7.de/produkt/wilde-gruene-smoothies-gabriele-l-braeutiga/1022375763?ean=9783862642526&partner=herbalista-empfiehlt-denken-ist-wie-googlen-nur-krasser